Von Akife Hüseynova, Aserbaidschan

Akife Hüseynova aus Aserbaidschan hat einen Text eingereicht, in dem sie ihre bewegte Vorgeschichte beschreibt und ihre Dankbarkeit ausdrückt.

Akife Hüseynova (rechts) mit ihrer Familie. (Bild: zVg)

Merhaba, ich bin Akife Hüseynova, 36 Jahre alt, verheiratet, Mutter von zwei Kindern, Vorschullehrerin, Schachlehrerin und Frau. Ich bin Bürgerin des diktatorisch geführten Landes Aserbaidschan. Wir sind aus unserer Heimat in die Schweiz geflüchtet.

Leider führen wir ein unglückliches Leben. Wieso, möchten Sie wissen? Wir warten. Es ist eine schwierige Situation.

Es ist so ungerecht in ein Land geboren worden zu sein, welches sich als demokratisch bezeichnet, tatsächlich aber autoritär geführt wird. Dieses Gefühl der Ungerechtigkeit ist so widerlich und unerträglich. Mein Leben lang keinne ich nichts anderes, als grausamste Unterdrückung, Gewalt, Krieg, Hungersnöte, Arbeitslosigkeit und Korruption.

Seit 1990 leben wir im Krieg. Wir haben bis zu 20 Prozent unserer Landesfläche, ohne Rücksicht auf Kinder, Frauen, Alte und Gebrechliche auf qualvolle Weise verloren. Es herrscht weiterhin Krieg, jeden Tag fallen unsere Soldaten, unsere Kinder.

Kampf gegen das Regime

Eigentlich wählt man das Staatsoberhaupt mit den Stimmen des Volkes. Aber das Staatsoberhaupt von Aserbaidschan hat sich selbst bestimmt.

Es heisst, meine Heimat sei reich an Erdöl und Erdgas aber warum nutzt man diesen Reichtum nicht für seine zehn Millionen Einwohner? Das mag daran liegen, dass der Staatspräsident sich erst einmal um sein eigenes Wohl, dann um das Wohl seiner Familie, dann um das Wohl seiner übrigen Verwandtschaft und dann um sein restliches nahes Umfeld kümmert. Das aserbaidschanische Volk verarmt und verhungert.

Man möchte mir einmal erklären, wie es sein kann, dass sich jemand 17 Jahre lang ununterbrochen zum Staatsoberhaupt berufen lassen kann. 2016 hat der Präsident eigenmächtig die Amtsdauer im Grundgesetz von fünf auf sieben Jahre verlängert. Soll das Demokratie sein?

Aber warum erhebt sich niemand dagegen?

Mein Leben lang habe ich für Menschenrechte in Aserbaidschan gekämpft und nach Gerechtigkeit gesucht. Aktiv, als Parteimitglied, und als Frau habe ich gegen das Regime demonstriert, an Konferenzen und Treffen teilgenommen. Jedes Mal habe ich die Gewalt der Polizei zu spüren bekommen, körperlich. Mit schmerzlichen Verlusten. Aber ich habe nicht aufgegeben.

Erneutes Mutterglück in der Schweiz

Nur für meine 13-jährige Tochter sind wir geflüchtet, weil wir ihr eine Zukunft mit Zuversicht und Sicherheit bieten wollten. Mein Hoffnungsträger ist die Schweiz, hier gibt es Menschenrechte und Respekt. Es ist einfach so schön hier …

Schon mein Onkel, der Politiker Gabil Rzayev, ist vor 17 Jahren in die Schweiz geflüchtet, da er sich nicht mehr den Unterdrückungen und Ungerechtigkeiten beugen wollte. Auch ich bin aktiv in seiner Partei und möchte mich  nicht beugen.

Erst nach 34 Jahren Lebenserfahrung durfte ich spüren, dass ich bisher nicht gelebt, geatmet oder geliebt habe. Erst jetzt atme ich auf, erst jetzt Lebe ich, erst jetzt spüre ich Lebenslust, erst jetzt verspüre ich Freiheit.

Bevor wir in die Schweiz flüchteten hatte ich nur meine Tochter in meinen Armen, meine anderen Babys habe ich wegen der Gewalteinflüsse verloren und ich durfte kein weiteres Mutterglück verspüren. Aber die Schweiz wurde meine Hoffnung, meine Sicherheit, meine Zuversicht.  Wir wurden beschenkt, meine Hoffnung, mein Sinn, mein Sohn, Ali Asaf. Dieses kleine Wesen schenkte mir erneut das wärmste Gefühl auf Erden.

Alleine deswegen, gilt meine unendliche Dankbarkeit diesem Land, der Schweiz.

Meine Tochter, Guluzar Hüseynova, ist leidenschaftliche Schachspielerin, sie ist ein kluges und herzensliebes Mädchen, Sie besucht die Sekundarschule, innerhalb  der letzten drei Jahren hat sie zwei Meisterschaften bei den Schweizer Mädchen-Turnieren gewonnen, durfte bei der Weltmeisterschaft in Spanien, erfolgreich die Schweiz vertreten  und hat bisher mit ihren 13 Jahren 15 Pokale gewonnen.

Wir wollen leben, wir wollen Freiheit, wir wollen atmen.

Auch wir durchleben den Prozess des Asylverfahrens, es ist sehr frustrierend.  Leider haben wir auch hier bereits einen Tiefschlag erleiden müssen, das war so schlimm, besonders als Mutter. In unserer Heimat werden wir in den Zeitungen gedemütigt und als Vaterlandsverräter betitelt, uns wird Brutalität, Folter, Demütigung , lebenslange Haft  erwarten und wir werden von unseren Kindern getrennt. Lieber würde ich sterben als lebendig getrennt von unseren Kindern zu sein.

Bitte schliesst uns in eure Arme und haltet uns fest. Raubt uns nicht unsere Hoffnung , unser Leben, unsere Luft zum Atmen.


HINWEIS

Das Medienprojekt #refujournalists bietet geflüchteten Menschen eine Plattform, ihren Blick auf die Welt aufzuzeigen. Es handelt sich beim obigen Text um die persönliche Wahrnehmung der Autorin oder des Autors. (che)

Weiterführende Informationen und Links:
Video: «Bergkarabach: Gründe für den Konflikt zwischen Aserbaidschan und Armenien» via ARTEde

30 thoughts on “«Ich bin Akife. Ich will Hoffnung.»”

  1. Renate Weber-Klauser

    Ich durfte Akife und ihren süssen kleinen Jungen Ali Asaf im Muki-Treff kennen lernen! Ich wünsche dieser Familie von Herzen, dass sie in der Schweiz bleiben können!!!

Leave a Comment

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert